von Kerstin W. aus Weimar
Weimar

Tag 26 – Osterspaziergang

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Tag 25 – Gedenktag 11.April

Bei mir sieht nun fast jeder Tag gleich aus. Inzwischen hat sich auch ein Tagesrhythmus eingestellt. Karfreitag war deshalb kein besonderer Tag für mich. Michael fährt täglich auf sein Amt und für ihn ist Ostern ein verlängertes Wochenende. Es ist dann oft schwierig sich auf gemeinsame Unternehmungen zu einigen. Ich schlage dann vor, einfach mal auf den Goethewanderweg zu gehen und bis auf den Kammweg oder bis Belvedere oder noch weiter zu laufen und dabei zu quatschen. Er will sich aber meist ins Auto setzen und was anderes sehen oder joggen oder mit dem Fahrrad auf den Ettersberg fahren. Ich entgegne dann, dass es doch egal ist, in welchem schönen Wald wir uns bewegen und unterhalten, joggen nicht gut für die Gelenke ist und er mich am steilen Ettersberg abhängt und wir uns dann auch nicht unterhalten können. Dann ruft er meist Matthias an und macht mit ihm richtigen Männersport. Manchmal ist er dann für Stunden und Tage erschöpft und es tun ihm das Handgelenk oder das Knie weh. Ich gehe lieber mit Hermine auf unseren Hausberg. Wir wählen jedesmal eine andere Route und sehen auch jedesmal was Neues.

Heute einigte ich mich mit Michael auf einen gemeinsamen Plan. Wir wollen mit dem Fahrrad über Gaberndorf nach Buchenwald und über die Prinzenschneise zurück.

Der Südhang vom Ettersberg ist sehr karg bewachsen und im Frühjahr oft richtig warm. Am Anfang des Studiums mussten wir auch alle den Berg hoch und den Schwur von Buchenwald leisten. Es war unerträglich heiss unter der dunkelblauen FDJ-Bluse. Auf dem Weg hatten wir sie ausgezogen und sind im bunten Bikinioberteil gelaufen.

Heute war es auch sehr heiß und das Fahrrad haben wir ab Gaberndorf geschoben bis zum Glockenturm. Während unserer Rast mit Blick über Weimar wurde die Buchenwaldglocke geläutet.

Oben am Turm war alles ruhig ein paar junge Leute waren zu zweit unterwegs. Ich hätte sie gerne gefragt, warum sie heute freiwillig hier oben sind, aber ich habe Abstand gehalten. Geplant war eigentlich eine große Gedenkveranstaltung mit vielen Politikern und ehemaligen Häftlingen.

An den vermoosten Ruinenresten der SS-Villen waren Familien unterwegs und die Kinder beobachteten Kellerasseln.

In Buchenwald wurden heute nur ein paar Kränze im Lagerbereich niedergelegt und am Lagerzaun legten Besucher Blumen und sehr persönliche Texte nieder.

Ich habe mich mal wieder gefragt, wie es Geschichtslehrer und auch einige Menschen schaffen, die die Zeit noch erlebt haben, das Geschehen in einem Konzentrationslager zu leugnen oder zu verdrängen und vergessen wollen.

Als ich das erste Mal in unserer Partnerstadt Siena war, hat uns die Stadtführerin zum Dom die Geschichte erzählt. Eine gigantische Erweiterung des damals schon riesigen Doms wurde 1339 beschlossen, um mit dem Dombau in Florenz zu konkurrieren und die größte Kirche der Welt haben. Die Pest von 1348 zwang zum Baustopp. Das Nordseitenschiff und die Fassade des „Duomo Nuovo“ der unvollendeten Kirche stehen noch. Von den Menschen in Siena wurde die Pest als Strafe Gottes für ihren Größenwahnsinn betrachtet und die unvollendete Kirche sollte als Mahnmal stehen bleiben. Das Ereignis ist heute noch im Gedächtnis der Menschen in Siena. Vor vielen Jahren war ich oft in Siena, wohnte in der Contrade der Gans, war auf dem Palio, habe den besonders traditionellen, fast mittelalterlichen Alltag erlebt. Die Menschen waren sehr zurückhaltend freundlich, bescheiden und immer zeitlos elegant gekleidet. Ich konnte sie dadurch auf dem Campo gut von vielen deutschen Touristen unterscheiden. Zumindest von männlichen mittelalterlichen Exemplaren in Safarilook, mit Socken in Sandalen, in Westen mit vielen Taschen für alles, was er zum Überleben in der Stadt braucht, Geld, Fotoapparat, Sonnenbrille. Deren Frauen liefen daneben meist in beiger 7/8-Hose, dazu ein großgeblümtes XL-T-Shirt mit Damenrucksack für alles was sie zum Überleben brauchen, Taschentücher, Pflaster, Regenschirm, Stulle… Ja, ich war auch deutsche Touristin bin aber von Italienerinnen auf italienisch angesprochen worden, aber das nur nebenbei bemerkt.

Ich habe jedenfalls den Verdacht, dass der Italiener an sich ein längeres Geschichtsgedächtnis hat als der Deutsche an sich. Oder ist das nur ein Klischee?

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Mädelstreffen, Weimar

Tag 23 zu Hause – Friseur

Heute hätte ich eigentlich einen Termin bei Mrs. Jones zum Haare schneiden und Ansatz färben gehabt. Der Termin ist schon lange abgesagt. Der 17. März ist ein unvergesslicher Tag, ein Aufschrei ging durch unser Mädels-Chat. Vom 18.März bis 20.April gibt es keine Friseurtermine. Alle wollten zu unserem geplanten nächsten jährlichen Treffen 10 Tage später mit Grauabdeckung und ordentlichem Haarschnitt erscheinen.

Am letzten Tag vor dem Schließen wollte Michael in Erfurt auch noch seine Haare schneiden lassen. Alles ausgebucht. Seine Kollegin hat ihm noch einen Termin bei Herrn Kemmerich besorgt. Masson hatte noch freie Kapazitäten. Glück gehabt! Aber irgendwelche Neuigkeiten von unserem ehemaligen Ministerpräsidenten hat er nicht erfahren. Männer reden offensichtlich nicht so viel mit ihrem Friseur.

Am Tag bevor die Friseurläden wieder aufmachen, sollten alle ein Foto von sich machen. Ich bin mir noch nicht schlüssig, ob ich bis dahin, meine Haare wachsen lasse oder ich sie mir selbst schneide oder von Michael schneiden lasse, obwohl in der Presse ausdrücklich davor gewarnt wird.

Heute bei meinem Stadtgang habe ich zufällig meine Friseuse getroffen und sie besorgt gefragt, wie es geht. Sie meinte, daß sie die Auszeit sehr genießt. Na dann ist ja gut.

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Bloggen allgemein, Weimar

Tag 14 zu Hause – Klopapier

Es gibt gute Nachrichten: Bei tegut gibt es wieder Klopapier. Nur eine Sorte, aber man muß auch mal improvisieren können.

Damit entstehen hoffentlich keine „lustigen“ Videos und Bilder mit Klopapier mehr und auch keine Bilder von leeren Regalen. Eventuell wird es noch Unwort des Jahres. Damit müsste das Thema, dann aber endgültig abgeschlossen sein. Daß Harald Martenstein „Der Mario Barth der Zeit“ über Klopapier eine alberne Kolumne schreibt, war ja klar. Morgen schreibt er bestimmt über Mundschutz. Ich hoffe, ich habe das Wort Klopapier bisher nicht verwendet, werde aber die Suchfunktion suchen und nochmal alle Beiträge checken.

Die Klopapierkrise begann vor 3 Wochen. Erste Meldungen über Hamsterkäufe von Klopapier und Spaghetti dominierten die Nachrichten. Ich überprüfte meine Bestände. Nur noch eine Rolle. Am Freitag, den 13. ging ich zu Edeka. Mit Entsetzen blickte ich in leere Regale, wo früher Klopapier und Haushaltstücher standen. Ich bekam Panik, ließ mir aber nichts anmerken. Ich schau nochmal zu tegut. Mit Erleichterung erblickte ich ein volles Regal, mir standen 5 verschiedene Sorten zur Auswahl. Mit einer 8er-Packung ging ich zur Kasse. Ein junges Paar eilte in den Einkaufsmarkt, griff nach 4 Großpackungen und kam nach mir an die Kasse. Vor der Tür begegnete ich Bekannten, die ich bisher noch nie bei tegut traf. Sie fragten mich, ob es noch Klopapier gibt. Die Frage konnte ich bejahen. Sie waren schon in 5 verschiedenen Einkaufsmärkten ohne Erfolg und freuten sich über die gute Nachricht, gingen aber zügig an mir vorbei.

Teresa aus Köln hat mir erzählt, daß ihre Schwester auch kein Klopapier mehr nachkaufen konnte und aus lauter Verzweiflung im Internet für einen horrenden Preis Klopapier bestellt hat. Ich höre grad im mdr, dass die Preise zum Teil bis über 80 Euro kletterten. Sie wollte nicht auf anderes Papier umsteigen und womöglich die Abflussrohre verstopfen. Das ist sehr rücksichtsvoll. In Kuba wird auch in Hotels nicht einmal Klopapier ins WC geworfen, es kommt in den Müll.

Liebe Freunde in Köln! Wenn es demnächst bei Euch an etwas mangelt, scheut Euch nicht, ruft an. Wir werden es Euch gern besorgen und ein Paket schicken. Es gab Zeiten da habt Ihr uns Überlebenspakete mit Mehl und Strumpfhosen geschickt.

So und ab jetzt schreibe ich nie wieder das Wort Klopapier.

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Tag 14 zu Hause – Mundschutz

Als erste deutsche Stadt will Jena die Mundschutz-Pflicht.

Habe schon seit ein paar Tagen überlegt, ob ich einen Mundschutz kreiere. Das Gummiband habe ich vorrätig, Stoffreste auch. Habe Heidi, der Tochter meiner Nachbarin, auch angeboten, wenn Sie Langeweile hat, können wir zusammen einen Mundschutz nähen. Aber sie hat keine Zeit, spielt mit dem Ball auf der Strasse, fährt Einrad, übt am Klavier, kümmert sich um die Hasen nach den Schulaufgaben.

Meine ehemalige Lieblingskollegin aus Berlin hat mir Fotos von einer Bekannten geschickt, sie näht einen eher figurbetonenden bzw. gesichtformbetonenden Mundschutz .

Eine Maske kostet 12 € plus Umsatzsteuer plus 2 € Porto. Zu bestellen unter vandermeulen@mail.de Das ist ein Angebot für Leute in Berlin. Ich vermeide den Päckchenversand und suche in Weimar.

Gestern bei tegut habe ich die ersten Mitmenschen Ü60 mit OP-Mundschutz gesehen. Der junge Mann vor mir an der Kasse hat sich den Schal um den Mund gelegt und seine Freundin ungefähr im 6. Monat schwanger, hat sich ihr Tuch bis über die Nase gezogen. Ich muß mir schnellstmöglich einen Mundschutz besorgen. Vorerst habe ich mir auch mein Tuch von „kaseee“ einem meiner Lieblingslabel höher gezogen und mir von dem Kurzwarenstand neben mir noch ein Päckchen Schlauch Elastik-Band mitgenommen. Es ging nicht so richtig weiter, also hab ich mir auch noch 2,2 m Kraft-Elastik-Band mitgenommen.

Am Ausgang war ein Aushang mit einem Angebot für bunten selbst genähten Mundschutz.

Da hat jemand schnell eine Marktlücke entdeckt und reagiert. Der Preis ist nicht schlecht. Aber keines der Dessins sagt mir zu. Ich suche weiter.

Ich habe meine Lieblingsdesignerin Dagmar Winter in Weimar gefragt. Aber sie hat leider keine Zeit. Sie betreut ihren Sohn und ist die meiste Zeit mit ihm im Garten.

http://www.kaseee.com

Mein Lieblingslabel hat auch die Produktion für ein paar Tage auf Mund- und Gesichtsschutz umgestellt.

Das wird meine Aufgabe für heute: Ich besorge mir einen Mundschutz!

Den täglichen Spaziergang mit meiner Nachbarin haben wir heute durch die Innenstadt gelegt. Ich bin seit einer Woche zum ersten Mal wieder in die Innenstadt. Sie war auch schon lange nicht mehr. Das war damals vor zwei Wochen, an einem Samstag. Wir waren in Einkaufslaune, haben auch eine schwarze Hose für mich gefunden und nach dem Bezahlen, haben wir die Kaffeemaschine gesehen, die so einladend vor dem Umkleidebereich stand und zu fragen gewagt, ob wir uns einen Kaffee nehmen dürfen. Die Verkäuferin hat kategorisch verneint und uns erklärt, daß der nur für wartende Männer ist, nicht für kaufende Frauen und offensichtlich auch nicht für wartende Frauen. Ein unvergessliches Erlebnis.

Die Stadt war fast menschenleer. Habe Bekannte getroffen, sie standen zu viert im Karree, mit 2,5 m Kantenlänge. Ich bin vorbei gelaufen, hätte sonst die Geometrie gestört.

Zur Info für die Weimaraner: Die Brotklappe ist geöffnet, Biebereis (Hamster) macht Strassenverkauf, bei Moccarot entsteht neue Ware und wird ausgeliefert. Nur Kaseee war leider geschlossen. Habe immer noch keinen Mundschutz.

Im Moment erreicht mich eine schockierende Nachricht:

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Tag 4 zu Hause – Art at home

Von Kerstin habe ich das Video zum ersten Mal bekommen.

Das Leben muss ja irgendwie weitergehen

Sie hat mir noch viele andere lustige Videos und Bilder geschickt. Vor Schliessung der Cafés und Läden in der Innenstadt haben wir uns ab und zu in der Stadt gesehen, damals. Ich frage sie, wie es Ihr heute geht:

„Solange ich noch Farben habe, bin ich daheim gut aufgehoben.“ Sie schickt mir ein paar Bilder.

Wow, ich wusste nicht, daß sie malt. Oder hat sie jetzt erst angefangen? Wieviel Farbe wird bei dieser Maltechnik benötigt?

„Wie lange reichen Deine Farben? Ich kann Dir nur eine Flasche dunkellila Wacholderlikör und orangen Sanddornlikör bringen. Geht das auch?“

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Tag 3 zu Hause – Onlineservice

Seit heute sind die Geschäfte geschlossen. Ich hatte in der Eckermann-Buchhandlung ein Buch bestellt:

Eigentlich hatte ich den Titel „Der Affe schlägt den Takt“ bestellt. Die Gestaltung hat Jonas gemacht. Nun habe ich Zeit, das Buch auch mal zu lesen. Leider habe ich die Abholung verpasst. Die Händler der Innenstadt organisieren einen Onlinehandel und Auslieferdienst. Allmählich leide ich unter Bewegungsmangel und überlege, ob ich mich für Auslieferservice per Fahrrad melde. Wenn Johannes Steinhöfel mir das Buch ausliefert, werde ich es mit ihm besprechen. Ich hoffe er bringt den richtigen Titel.

Gestaltung und Satz: Jonas Pietsch, Berlin

Es ist das richtige Buch. Den Auslieferservice für die derzeitigen Onlinebestellungen bewältigt Johannes Steinhöfel noch alleine. Während der Übergabe mit 1,5 m Abstand und vor meinem Eingang sind dhl und UPS vorgefahren und haben die Haushalte beliefert.

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