Vor zwei Jahren habe ich als Komparse bei den Dreharbeiten zur Fernsehserie „Eine neue Zeit“ mitgemacht. Die 6 Teile handeln über die Gründerjahre des Staatlichen Bauhaus in Weimar. In den Hauptrollen fungieren August Diehl als Walter Gropius und Anna Maria Mühe als Kunststudentin Dörte Helm.

Tage vor Drehbeginn wurden wir zum Fitting eingeladen. Eigentlich sollte ich „Bürgerin in einem Café“ sein. Leider waren meine Haare 3 cm zu kurz für eine Steckfrisur und Locken. Hätte ich das gewusst, hätte ich nicht kurz vorher die Haare schneiden lassen. Ansonsten hätte ich auch so eine tolle Frisur bekommen, wie die Bürgerinnen auf dem Marktplatz.

Vielleicht hätte mich sogar die Maskenbildnerin zu einer „Feinen Dame“ verwandelt, aber eventuell auch zu einer bornierten Beamtengattin oder so. So bekam ich nur eine Rolle als „Arbeiterin“ mit Kopftuch ohne Maske. Meine Komparsenkumpeline Christina musste für ihre Locken dafür schon früh halb 5 in die Maske. Sie hatte nun eine schöne Frisur aber einen sehr schmuddeligen Rock. Der wurde vor Drehbeginn vom Kostümbildner noch künstlich eingedreckt. Der ganze Aufwand war umsonst, sie war nicht einmal im Bild. Nach einigen Stunden rumstehen in der Kälte entwickelten die ersten ihre Bedürfnisse. Der Wunsch nach Wärme konnte durch bunte Vliesdecken erfüllt werden, die schnell wieder aus dem Bild mussten, bevor die Klappe fällt. Manchen tat schon der Rücken weh, Sitzgelegenheiten gab es nur für die richtigen Schauspieler. Als wir Komparsen uns auf den Rand vom Neptunbrunnen setzten, haben uns die Kostümbildner aber ganz schnell wieder aufstehen lassen, damit der alte Mantel nicht kaputt geht. Beate vermisste ganz doll ihren Kajalstift, ich vermisste ihn nicht an ihr.

Ich war beim Trauerzug im März 1920 dabei. Verfolgt von Feininger und Gropius.

Bei der Kundgebung gegen das Bauhaus 3 Jahre später hatte ich immer noch das gleiche olle Kopftuch und den gleichen grauen fusseligen Schal, so eine arme Arbeiterin war ich. Gropius ist wieder hinter mir.

Für die nächsten Szenen bekam Christina einen Mantel. Wir bekamen beide einen Hut und schon waren wir „Fake-Bürger“. Wir wurden so in Menschenmengen gestellt, dass unsere alten Arbeiterschuhe nicht gesehen wurden, nur die Hüte. Aber auch diese Szene vor dem Marstall wurde nicht verwendet.
Die Kostüme waren Original aus den 20er Jahren, sagte die Kostümbildnerin, damit wir uns gut in die Zeit zurück versetzen konnten. Der Regisseur hat uns dazu noch einen Einblick in die Handlung und die damalige Zeit gegeben. Wir nahmen am Trauerzug der Märzgefallenen teil. Auf der Kundgebung mussten wir gegen die „farbenklecksenden dahergelaufenen Ausländer am Bauhaus“ protestieren und uns empören, weil wir das alles bezahlen müssen. Aber die Deutsche Volkspartei verspricht, dem Bauhaus den Geldhahn zuzudrehen. Dafür mussten wir ganz laut schreien „Deutsche Volkspartei Deutsche Volkspartei ….“. Wir versuchten den Pegidastil nachzuahmen. Das war ein schauspielerische Höchstleistung für uns, die ja das Bauhaus lieben und verehren.

Eigentlich war es auch noch die Zeit kurz nach der spanischen Grippe. Es gab 300.000 Tote in Deutschland. Ich habe noch nie etwas über die Zahl der Infizierten in Weimar gehört oder Bilder mit Leuten mit Mundschutz gesehen. War Weimar nicht betroffen?